FRANKOPHONES KOMITEE EURODRAM
AUSWAHL 2018
Das französischsprachige Komitee des Eurodram-Netzwerkes tagte am Donnerstag, dem 22. Februar 2018, im Haus der Autoren der SACD, um über die Auswahl aus den 2017/2018 in französischer Sprache vorgelegten Texten zu entscheiden. Unter den 98 eingesandten Theaterstücken fiel nach intensiver Diskussion die Wahl auf
AMIR AVANT von Aurianne Abecassis
DELTA CHARLIE DELTA von Michel Simonot
und mit gleicher Punktzahl
L’ACCIDENT DE BERTRAND von Emilie Leconte
PIG BOY 1986-2358 von Gwendoline Soublin
Die vier Stücke werden Übersetzer*innen aus dem Französischen mit dem Ziel der Aufführung oder Veröffentlichung außerhalb des französischen Sprachraumes empfohlen.
Von den Texten im Gesamtkorpus mit sehr hoher Allgemeinqualität empfehlen die Komiteemitglieder darüber hinaus die folgenden Stücke, die großen Anklang fanden, der besonderen Beachtung:
POINGS von Pauline Peyrade – Editions Les Solitaires intempestifs (2017)
TIAMAT von Ian de Toffoli (unveröffentlicht)
PUTREFIES von Veronika Boutinova (unveröffentlicht)
NO BORDER von Nadège Prugnard – Editions Al Dante (in arbeit)
L’ATOME von Julien Avril (unveröffentlicht)
BERLIN SEQUENZ von Manuel A. Pereira – Editions Espace 34 (2017)
UN DEMOCRATE von Julie Timmerman (unveröffentlicht)
ARTHUR ET IBRAHIM von Amine Adjina – Editions Actes Sud Papier (2018)
GENS DU PAYS von Marc-Antoine Cyr (unveröffentlicht)
Zusammenfassung der ausgewählten Stücke
AMIR AVANT
AURIANNE ABECASSIS
Der Text wurde 2014 während eines Schreibaufenthaltes in St. Antoine l‘Abbaye verfasst.
Unterstützung erfolgte durch das Kollektiv A mots découverts, welches das Stück im Oktober 2015 im Rahmen des Festival Péril jeunes in einer öffentlichen Lesung vorstellte.
Amir avant wurde in die Auswahl des Festival Textes en cours (2015) und von Mousson d‘hiver (2017) aufgenommen.
Jenseits des Boulevard Périphérique erhebt sich der glasverspiegelte Firmensitz eines Unternehmens gen Himmel, dessen Zentrale aus Paris in die Banlieue verlegt wurde. Shams, ein junger Mann aus dem Vorort wird als Securitybeauftragter eingestellt. Er nimmt seine Sache ernst, ist schnell und effektiv, gliedert sich vollständig ein und gewinnt das Vertrauen von Valerie, der Verantwortlichen für den Bereich. Aber Shams hat einen jüngeren Bruder, der einen ganz anderen Weg gewählt hat.
Ein sehr überzeugend geschriebenes, subtiles und geheimnisvolles Stück.
MICHEL SIMONOT
DELTA CHARLIE DELTA
Das Stück wurde 2015 in Arcueil verfasst.
Veröffentlichung durch Editions Espace 34.
Aufführung 2018 durch die Compagnie du Samovar.
Ausgezeichnet durch das Inszenierungsstipendium von Artcena und Gewinner des Preises Collidram.
Erster Platz des Lesekomitees des Panta Théâtre.
Ein Abend im Oktober. Drei Jugendliche fliehen vor der Polizei, die ihnen auf den Versen ist. Zyed, Bouna und Muhittin verstecken sich in einer Trafostation in Clichy Sous Bois. Ein Polizist entdeckt sie, löst aber keinen Alarm aus. Zwei Jugendliche sterben. Einer überlebt. Es folgen wochenlange Unruhen. Zehn Jahre später rekonstruiert ein Gericht den Vorgang in Stunden, Minuten und Sekunden und wertet Polizeifunkaufzeichnungen aus. Zehn Jahre später trägt der Überlebende, der sich der Polizei entgegenstellt und den man vergessen hat, immer noch die beiden toten Jugendlichen in seinem Innern. Wie eine nie zu Ende gebrachte Tragödie.
L’ACCIDENT DE BERTRAND
EMILIE LECONTE
Das Stück wurde 2015 in Paris verfasst.
Auswahl des Festivals Les Inédits de Cahors.
Endrunde des Preises Les jardins d‘Arlequin.
Veröffentlicht im Verlag Editions ETGSO 2017
2018 Übersetzung ins Deutsche durch Wolfgang Barth.
Nach seinem Missgeschick rückt Bertrand ins Zentrum des Interesses sowohl der Spezialisten, die keine Erklärung für seinen Zustand und keine passende Therapie finden, als auch der Menschen, die ihn kennen oder zu kennen vorgeben (seine besorgte Mutter, die neugierige Verwandtschaft, die nette Nachbarin und eine alte Bekannte, die inzwischen eine neue Beziehung erlebt). Sie allen bombardieren ihn auf seinem Krankenlager mit Fragen. Aber Bertrand denkt im Grunde immer nur an eines: Er will mit seinem Locher Konfetti herstellen. Das herunterfallende Konfetti löst wie der Schlag des Schmetterlingsflügels Katastrophen in der Ferne aus.
Eine amüsant und angenehm zu lesende Komödie mit Neigung zum Absurden, die humorvoll die Frage nach Normalität und Identität stellt.
PIG BOY 1986-2358
GWENDOLINE SOUBLIN
Das Stück wurde zwischen April 2016 und April 2017 in Lyon verfasst.
Preis 2017 der Journées de Lyon des Auteurs de théâtre.
Auswahl 2018 des Festival Mange ta Grenouille in Prag.
Veröffentlichung durch die Éditions Espaces 34 im Januar 2018.
Vollständige Übersetzung ins Tschechische, Teilübersetzung (erster Teil) ins Katalanische und Englische.
Ein von der Schuldenlast erdrückter bretonischer Schweinezüchter zündet vor den Augen der Gerichtsvollzieher, die zur Pfändung gekommen sind, seinen Hof an. Ein zum Fernsehstar mutiertes Schwein wird eines abscheulichen Verbrechens beschuldigt: Es hat mit einer jungen Japanerin geschlafen. Der Prozess wird live im Netz übertragen. Ein Mutterschwein ist mit menschlichen Embryos trächtig und versucht zu fliehen. Drei Schweinegeschichten aus der Bretagne aus der Perspektive John Waynes.
Ein eigenartiges, unbestreitbar aussagestarkes und ideenreiches Stück über das Verhältnis des Menschen zu seiner eigenen Animalität und angeblichen Überlegenheit.